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Hans Söllner „Bilderbuch“- Rezension in der Abendzeitung
Seit beinahe einem Vierteljahrhundert zieht Hans Söllner mit seinen widerspenstigen Liederen durch Stadthallen und Jugendzentren – und fast ebenso lang schon muss er einen Teil seines Gehalts an den Staat abgeben. Als Bußgeld für Polizisten- und Politikerbeleidigungen. Dass das Phänomen Hans Söllner sich aber keinesfalls auf die Rolle des ewigen Rebellen reduzieren lässt, das zeigt einmal mehr sein neues Album OIWEI I. Das Cover zeigt die Großeltern des Bad Reichenhaller Liedermachers- und auf angenehm- unaufdringliche Weise scheinen auch die neuen Lieder ein archaisches Selbstfindungsritual zu reflektieren. Söllner hat die letzten zwei Jahre eigenen Angaben nach eine Lebenskrise durchgemacht, die ihn darauf vorbereitete, nicht länger die Konfrontation mit den Obrigkeiten zum Hauptquell seiner Künstler-ldentität zu machen. Stattdessen geht er in sich und konfrontiert die Hörer mit mutig-traurigen Songs über die ersten, vor allem aber letzten Dinge. Wie etwa ein Nachruf auf einen zu früh gestorbenen Freund, eine sehnsüchtige Beschwörung vom „Paradies“ und der Liebe als gesellschaftlich heilende Kraft. Am anrührendsten aber bleiben Söllners Worte, wenn er als ein Unangepasster und unter den Verhältnissen Leidender eine Hoffnung bemüht, die jenseits von vordergründigen Siegen liegt: „I bin ned aloa, weil der Wind und der Schnee und die Wiesen und der Baum und die Bladl san auch noch da…“ Rasta-Überzeugung trifft bayerische Bodenständigkeit. So wie Reggae hier nicht so sehr als Genre-Bezeichnung zutrifft denn als Haltung. „Sufferers Music“ eben. Söllners Band Bayaman Sissdem begleitet den Sänger rein akustisch, nicht zuletzt das Akkordeon von Peter Pichler verleiht den mancjmal nach Cajun, manchmal nach Folk oder, ja auch, Reggae schmeckenden Akkordfolgen einen wohltuenden Swing. Kontrapunktische Leichtigkeit. Und wenn Söllner Sätze dazu aus seiner Brust schleudert, die oft schon schmerzlich ungekünstelt wirken – dann hat hierzulande niemand den Geist Bob Marley besser begriffen als der kleine Mann aus Bad Reichenhall.
Die neue CD »Oiwei I« (»Immer Ich«) von Hans Söllner & Bayaman´Sissdem ist ab dem 9.2.04 in allen vernünftigen Läden zu haben!
Dreizehn neue Songs, an einem Nachmittag im letzten September, mit seiner neuen „Bayaman`Sissdem“, mit der er in den letzten Monaten bereits getourt ist, »LIVE« in den Highberg Studios eingespielt:» A Drecksau is a Drecksau (Real Media) – Hoffnung (Real Media) – Dad I liang – Josefina Marie – Krautmo – Mei guada Freind – Freiheit – Ned Aloa – Paradies – Saalach – Oiwei I (mp3) – I sig a grea – Do hob i`s troffa «
Seit 20 Jahren erspielt sich Hans Söllner ein eigenes, riesiges Publikum mit steigender Tendenz und gegen alle Regeln des Geschäfts. Man muss es erleben, wie er – der ansonsten
Verfehmte und Totgeschwiegene – auf grossen Festivals von 25Tausend Leuten als Hauptact gefeiert wird. Und die ihm, dem 49jährigen da zujubeln sind immer noch zwischen 15 und 25, ohne dass sie ihn verlassen, wenn sie älter werden. Ein „Phänomen“, das es in Deutschland kaum gibt, wir kennen sonst eine solche Einheit von Existentiellem und Populärkunst eher aus der Ferne. Er lässt die Leute teilnehmen an den Wegen seiner Person und macht das zu einer Kunst, in der sie sich wieder finden, an der sie sich reiben können. Hans Söllner spielt keine Rolle, er ist sie, lebt in ihr, zeigt Haltung. Er folgt sich selbst, statt Wege zu weisen; unterwirft sich seinen eigenen Gedanken und Gefühlen, statt etwas heraufzubeschwören oder zu lehren. Er gehört zu den Typen, die wie Einsiedler wirken aber den Menschen lieben und ihn nie einem System unterordnen würden. Daher ihre widersprüchliche, unberechenbare Popularität.
Und diese Beliebtheit bei den Leuten macht die im Übrigen mit Ausschließen befassten Apparate zunehmend williger, Söllner zu präsentieren. Er wird als Zugpferd geholt für Festivals, im Fernsehen sieht man zum wiederholten Male 45minütige Live-Mitschnitte und im Frühjahr soll es eine Dokumentation über ihn im Kino geben.
Söllner ist der Heroe eines rauen, gesellschaftlichen Untergrunds im deutschsprachigen Süden, von dem der feinere „Underground“ gerne auch etwas unter den Füssen hätte. Mit Stimme, Gitarre, verblüffender keltischer Erzählkunst, wurde Söllner zum Idol für 100Tausende. Gerade weil dieWelt der Medien, von Geld und Macht und der feinen Gesellschaft ihn ignoriert und bekämpft. Aus solchen emotionalen Energien, aus Direktheit im Zugreifen, Freiheitssehnsucht, Sozialkitsch, politischem Weltschmerz und privatem Drang entsteht Popmusik, die trifft.
Irgendwo zwischen Bob Dylan, Johnny Cash, Kurt Cobain und einem bayrischen Wilderer treibt Söllner sein Wesen. Ein schlagfertiges Bündel Wut mit Gitarre, mit seinem starken Gerechtigkeitsgefühl und einer sich immer mehr auslebenden instinktiven Musikalität.
Der beste Beweis dafür ist seine aktuelle CD mit einer excellenten, neu formierten Band „Bayaman´Sissdem“: „Owei I“. Auch diesmal schleudert er wieder Grobheiten mit hohem Wiedererkennungswert heraus. Er kennt den Druck und den Dreck einer Existenz, in der Menschen zu Insassen einer Weltordnung gemacht werden oder sich selber machen, zur Genüge – ohne jedes Ghetto-Getue. Er hat sich selbst aus diesem Loch herausgebuddelt mit Worten und Stimme und auf der Bühne. Und deshalb ist bei ihm die andere Seite, Hoffnung, Zärtlichkeit und Liebe immer stärker als die Wut.
Angefangen hatte es mit einem Handel, einem „Deal“, wie Hans Söllner sagt: Er war bei Arbeiten an seinem Haus in Bad Reichenhall von der Leiter gestürzt und gerade noch mal mit dem Leben davongekommen. Der Gerettete beschloss, sich dem „Universum und allen seinen Kreaturen“ gegenüber dankbar zu erweisen. Auf den Alkohol hatte er schon lange verzichtet. Künftig würde er auch kein Fleisch mehr essen. Eine Opfer-Geste, die mehr vom spirituellen Menschen Hans Söllner preisgibt als seine derben Songs oder auch sein Dauer-Clinch mit der Justiz.
Und der Auslöser für ein Buch: „Bloß a Gschicht“. Schon mit seinen letzten Al-ben hatte der Sänger die Protest-Rhetorik weitgehend hinter sich gelassen, kreiste sein Blick stattdessen um die ersten und letzten Dinge, Geburt, Tod und dem bisschen Widerstand dazwischen. Doch nun kamen zu dem Unfall weitere Erschütterungen hinzu: Söllner, der auf Jamaika die Nähe der Rastafaris gesucht hatte und vor Publikum gern provokante Geschichten von „afrikanischen Köni-gen“ zum Besten gab, musste feststellen, dass sich gewisse Formen von Rassismus nicht allein mit gutem Willen brechen lie-ßen. Dass er nie wirklich als „Bruder“ gesehen werden würde – und Jamaika also auch nicht mehr Hoffnung bot als Gie-sing oder Bad Reichenhall. Aus dieser Ernüchterung heraus ging er in Klausur. Erzählte sich fünf Tage lang die Seele leer.Schrieb, weinte und schrieb weiter. „Ich wollte einfach Abschied nehmen: Mich lossagen von falschem Idealismus, altem Zorn den Eltern gegenüber, all den nachtragenden Gefühlen, die das Leben so leicht vergiften können“.
Am Ende waren gut 30 Din-A-4-Sei-ten beschrieben. Söllner holte sie immer dann aus der Schublade, wenn er den Kopf mal wieder frei kriegen wollte, von staatlich angestrengten Beleidigungs-Prozessen wie auch den messianischen Heilserwartungen seiner Hörer. Und doch ist „Bloß a Gschicht“ mehr als ein privates Dokument. Als Söllners Verleger Achim Bergmann die Geschichte in die Hand fiel, bestand er darauf, sie den Fans zugänglich zu machen — zumindest auf Konzerten und per Mail-Order (www.trikont.de).
Da ist die Kuh, die voller Vorahnungen den Tag erlebt, an dem sie der Schlachter aus dem Stall und der Sicher-heit der heimischen Herde herausholt. Mag sein, dass sie nicht denkt und fühlt wie ein Mensch, aber wer ist sich da schon so sicher? In parallelen Erzählsträngen berichtet der Erzähler, wie sein eigener Bruder einst als Bub vom Großvater beinahe totgeschlagen wurde. Wie seine Kinder einen Tag im Monat Eltern spielen dürfen und wie er beschließt, „mir nie wieder anzumaßen, ich sei etwas Besseres als ein anderes Lebewesen auf dieser Welt“. Dabei spinnt er einen feinen Faden vom Autobiografischen hin ins Surreale.
Söllner greift in „Bloß a Gschicht“ niemand an. „Nur die Utopie, die Idee von einem anderen Leben macht frei“, sagt er. Bei aller Ungekünsteltheit von Söllners Vortrag, dem alttestamentarischen Sog seiner Bilderwelt, der zärtlich-brutalen Wortwahl – „Bloß a Gschicht“ ist keine platte Bekehrungsfibel. Sowohl im bayerischen Originaltext wie in Franz Doblers Übertragung ins Hochdeutsche bleibt letztendlich: eine Menge Raum. Raum, die eigenen, überfälligen Abschiede mitzudenken. Raum, die Menschen in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit und Gefallenheit trotzdem zu lieben. Und sich Zeit zu nehmen für das, was wirk-1 ich zählt. „Ich habe das alles langsam geschrieben“, schickt Söllner seinem Buch voraus. „Deshalb sollte man es auch langsam lesen.“
© 2025 Hans Söllner
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